Samstag, 9. November 2024
Über A. Schmidts Gelehrtenrepublik, Frauenbilder und Nabokovs Lolita
philit, 18:09h
Es mag durchaus sein, dass die Figuren in Schmidts Roman allesamt in sich gebrochene Charaktere sind, verletzliche Verletzte. Darum war mir nicht zu tun, sondern um die Darstellung der Weiblichkeit in der Gelehrtenrepublik, deren einzige Funktion in der Befriedigung sexueller Bedürfnisse der dort lebenden - männlichen - Gelehrten besteht. (Ob man(n) - so etwas in Anspruch nehmend - nicht per se schon ein irgendwie gestörter (traumatisierter) Typus ist, sei dahingestellt: Mir hat auch zeitlebens jegliches Verständnis für Bordellbesucher gefehlt - und das, obwohl (oder weil?) ich aufgrund meiner eigenen Biographie diese Szene von Rotlicht, Gewalt, Kriminalität sehr gut kannte. Aber das ist eine andere Geschichte, die in einem eigenen Beitrag abgehandelt zu werden verdiente.)
Dass man heutige Moralvorstellungen nicht in die Vergangenheit projizieren sollte ist mir durchaus bewusst: Aber auch dies sollte man mit Einschränkungen versehen. Denn zumeist gab es in den betreffenden Zeiträumen Menschen, deren Haltung sich wohltuend vom allgemein vertretenen homo- und xenophoben, frauenfeindlichen Mainstream unterschied (wie schon nicht jeder in Schopenhauers oder Weiningers Lebenszeit von der Inferiorität des Weibes überzeugt war). Mir geht es auch nicht um einen moralisch integren Protagonisten: Interessant sind Figuren nicht ihrer ethischen Gesinnung wegen, sondern ob sie glaubwürdig sind in all ihren Abgründen, ob ihre Darstellung differenziert, subtil ausfällt. (Das könnte selbst dann der Fall sein, wenn der Autor eine mir zutiefst widerstrebende Einstellung offensichtlich goutiert.) Ich kann das in der Gelehrtenrepublik kaum sehen, ist irgendwie von Frauen, Mädchen, Beziehungen die Rede, gleitet alles schnell in banalen Altherrenwitz ab. (Um das jetzt besser belegen zu können, sollte ich das Buch wiederlesen, wonach mir im Moment der Sinn nicht wirklich steht.)
Ein Vergleich aus der Weltliteratur mag ev. illustrieren, worum mir zu tun ist: Humbert Humbert ist kein Sympathieträger, niemand, der als moralisches Vorbild tauglich wäre. Aber er ist großartig dargestellt, niemals käme ich auf die Idee, das Buch wegen der Neigungen der Hauptfigur zu jungen Mädchen zu kritisieren, das ist hier wirklich völlig irrelevant. (Im übrigen halte ich es für völligen Unsinn, Lolita als einen Liebesroman zu bezeichnen: Nichts weniger als das. Es ist der Roman einer Obsession - und von Abhängigkeiten - beidseitig. Das Mädchen bringt das Wort "Liebe" nie über die Lippen (das wird meines Wissens explizit ausgesprochen), Humberts Unfähigkeit in Beziehungsdingen (er ist einzig von den sexuellen Reizen des jungen Mädchens besessen, sie als Person ist völlig uninteressant) kommt in einem Exkurs zum Ausdruck, wenn von der Unmöglichkeit einer längerfristigen Beziehung die Rede ist: Eine solche aufrecht zu erhalten ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das in Frage stehende Objekt (in wahrstem Sinn des Wortes) altert.
Liebe aber hat mit sexuellen Obsessionen, mit Fixierungen auf ein Objekt wenig oder nichts zu tun: Ein Fetischist liebt keinen Schuh und Humbert liebt Lolita genauso wenig. Er benützt sie (und sie ihn, sie ist als Charakter nicht sympathischer als ihr Gegenüber, was aber den Roman gerade so großartig macht: Wäre Lolita ein kleines, unschuldiges, missbrauchtes Mädchen, würde man sich langweilen.) Was ich damit sagen will: Es geht keineswegs um moralinsaures Beschweren über ethisch fragwürdige Haltungen einer Hauptfigur. Sondern um das Aufdecken von Abgründen in der Persönlichkeit, ihre Hilflosigkeit, Zerrissenheit. Schmidts Männer aber behandeln nach meinem Eindruck ihr weibliches Gegenüber mit der nonchalanten Oberflächlichkeit eines alten Herrn, die in ihnen nur potentielle Geschlechtspartner sehen. Insofern auch als Objekte, aber - so meine Empfindung - ohne Tiefgang, platitüdenhaft.
Dass man heutige Moralvorstellungen nicht in die Vergangenheit projizieren sollte ist mir durchaus bewusst: Aber auch dies sollte man mit Einschränkungen versehen. Denn zumeist gab es in den betreffenden Zeiträumen Menschen, deren Haltung sich wohltuend vom allgemein vertretenen homo- und xenophoben, frauenfeindlichen Mainstream unterschied (wie schon nicht jeder in Schopenhauers oder Weiningers Lebenszeit von der Inferiorität des Weibes überzeugt war). Mir geht es auch nicht um einen moralisch integren Protagonisten: Interessant sind Figuren nicht ihrer ethischen Gesinnung wegen, sondern ob sie glaubwürdig sind in all ihren Abgründen, ob ihre Darstellung differenziert, subtil ausfällt. (Das könnte selbst dann der Fall sein, wenn der Autor eine mir zutiefst widerstrebende Einstellung offensichtlich goutiert.) Ich kann das in der Gelehrtenrepublik kaum sehen, ist irgendwie von Frauen, Mädchen, Beziehungen die Rede, gleitet alles schnell in banalen Altherrenwitz ab. (Um das jetzt besser belegen zu können, sollte ich das Buch wiederlesen, wonach mir im Moment der Sinn nicht wirklich steht.)
Ein Vergleich aus der Weltliteratur mag ev. illustrieren, worum mir zu tun ist: Humbert Humbert ist kein Sympathieträger, niemand, der als moralisches Vorbild tauglich wäre. Aber er ist großartig dargestellt, niemals käme ich auf die Idee, das Buch wegen der Neigungen der Hauptfigur zu jungen Mädchen zu kritisieren, das ist hier wirklich völlig irrelevant. (Im übrigen halte ich es für völligen Unsinn, Lolita als einen Liebesroman zu bezeichnen: Nichts weniger als das. Es ist der Roman einer Obsession - und von Abhängigkeiten - beidseitig. Das Mädchen bringt das Wort "Liebe" nie über die Lippen (das wird meines Wissens explizit ausgesprochen), Humberts Unfähigkeit in Beziehungsdingen (er ist einzig von den sexuellen Reizen des jungen Mädchens besessen, sie als Person ist völlig uninteressant) kommt in einem Exkurs zum Ausdruck, wenn von der Unmöglichkeit einer längerfristigen Beziehung die Rede ist: Eine solche aufrecht zu erhalten ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das in Frage stehende Objekt (in wahrstem Sinn des Wortes) altert.
Liebe aber hat mit sexuellen Obsessionen, mit Fixierungen auf ein Objekt wenig oder nichts zu tun: Ein Fetischist liebt keinen Schuh und Humbert liebt Lolita genauso wenig. Er benützt sie (und sie ihn, sie ist als Charakter nicht sympathischer als ihr Gegenüber, was aber den Roman gerade so großartig macht: Wäre Lolita ein kleines, unschuldiges, missbrauchtes Mädchen, würde man sich langweilen.) Was ich damit sagen will: Es geht keineswegs um moralinsaures Beschweren über ethisch fragwürdige Haltungen einer Hauptfigur. Sondern um das Aufdecken von Abgründen in der Persönlichkeit, ihre Hilflosigkeit, Zerrissenheit. Schmidts Männer aber behandeln nach meinem Eindruck ihr weibliches Gegenüber mit der nonchalanten Oberflächlichkeit eines alten Herrn, die in ihnen nur potentielle Geschlechtspartner sehen. Insofern auch als Objekte, aber - so meine Empfindung - ohne Tiefgang, platitüdenhaft.
... comment